“ Dass ich Kinderbücher schreibe verdanke ich meinem Garten. Beim Setzen neuer Pflanzen, beim Beobachten seltener Insekten, beim Anlegen neuer Beete reifte die Idee für einen eigenen Verlag, in dem sich alles um die Natur dreht. Eben ganz nach dem Motto: Der Natur so nah.” Birgit Stocker Gründerin

Als Verlegerin von Kinderbüchern sehe ich mich in einer besonderen Verantwortung. Mein Qualitätsanspruch von Anfang an:

  • Keine Giftstoffe im Kinderbuch.

  • Möglichst geringe Belastung für die Umwelt.

Das haben wir tatsächlich unter einen Hut gebracht! Unsere Lösung ist das Cradle-to-Cradle-Druckverfahren. Cradle to Cradle, von der Wiege zur Wiege, bedeutet hier, dass es bei der Buchproduktion keine bedenklichen Abfälle gibt – sondern einen biologischen Kreislauf, sozusagen von der Natur in die Natur. Alle verwendeten Stoffe und Materialien werden auf Herz und Nieren geprüft, sie müssen gesundheitlich unbedenklich und umweltverträglich sein.

Mehr von mir im Interview:

  • Sie haben 2012 einen Kinderbuchverlag gegründet. Wie kam es dazu und was ist das Besondere an Ihrem Verlag?

Die Idee entstand aus meinem Garten heraus. Ich verbringe sehr viel Freizeit mit Gartenarbeit, gestalte alles selbst. Dabei sind mir einmal meine vielen Gießkannen aufgefallen, die sich um die zentrale Wasserstelle im Garten wie eine „Gießkannenarmee“ drapierten. Bei diesem witzigen Anblick kam mir die Idee, dass man daraus eine Naturgeschichte für Kinder machen könnte. Gleich am nächsten Tag verfasste ich die ersten Zeilen und die Idee nahm konkrete Formen an. Im Laufe des Schreibens gefiel mir die Idee immer besser und ich wollte die ganze Sache des Verlegens selbst in die Hand nehmen. Auch weil Autoren oft zu wenig Mitspracherecht bekommen, was Layout, Auswahl der Illustrationen und die gesamte Vermarktungsschiene angeht. So etwas wollte ich vermeiden, dafür fand ich meine Idee zu originell. Die Mache sollte so professionell wie nur möglich sein, damit ich mich mit etablierten Verlagen messen lassen konnte. Daher stellte ich mir ein kleines Team zusammen, das aus einer Lektorin, einer Illustratorin und einer Mediendesignerin bestand.

  • Waren Sie vor der Gründung des Verlages auch schon als Autorin tätig?

Früher hatte ich schon mal für Freunde kurze Reime gedichtet. Die Texte kamen immer gut an, aber daraus habe ich nicht abgeleitet, dass aus dieser Gabe mal was „Größeres“ werden könnte. Damals war ich noch sehr, sehr weit weg von einem eigenen Verlag und hätte mir niemals vorstellen können, wohin mich dieser Spaß noch führt. Ein kleiner Reim muss heute immer noch sein! So ein Reim lockert die Stimmung, der Text schwingt! Das passt besonders gut für Kindergeschichten. In all meine Kindergeschichten streue ich Reime ein. Ich habe bereits eine kleine Sammlung an Reimgeschichten fertig in der Schublade – das könnte ich auch mal für eine Pappbilderbuchserie verwenden.

  • Sie legen großen Wert auf Umweltschutz. Können Sie darauf ein wenig eingehen und erzählen, was das für Sie und Ihren Verlag bedeutet?

In einer gesunden Umwelt zu leben ist elementar. Keiner kann sich dem Problem der Schadstoffbelastung in unserer Umwelt entziehen. Die Auswirkungen spüren wir, und wir hören täglich in den Medien davon – schlechte Luft, belastetes Wasser, verseuchter Boden, kurzum, unsere Lebensgrundlagen sind in Gefahr. Diese Themen beschäftigen mich sehr und ich frage mich natürlich selbst, welchen Beitrag ich zur Verbesserung dieser Situation leisten kann. Durch meinen naturnahen Garten schaffe ich neue Lebensräume für Tiere und Insekten, und was meinen Verlag angeht, so habe ich eine Druckerei gewählt, die sich auf ressourcenschonende Herstellung mit zu 100 Prozent giftstofffreien Druckfarben spezialisiert hat und vieles mehr beachtet, wie zum Beispiel die Vermeidung von Papieren mit Tropenholz.

  • Bei der Inspiration zu neuen Kinderbüchern spielt für Sie die Natur eine besondere Rolle. Können Sie das ein wenig genauer erläutern? Haben Sie weitere Inspirationsquellen?

In meiner dritten Geschichte zum Beispiel spielt das Thema Ausgrenzung eine Rolle. Dafür müsste ich nicht unbedingt ein Tier oder eine Gießkanne erfinden, es müsste sich auch nicht in einem Garten abspielen. Aber ich finde es so toll, dass die Natur auf Menschen neutral wirkt. Sie wertet nicht. Wir alle leben ja permanent in einem durch Menschen entwickelten und durchgestylten Umfeld, deshalb finde ich es so schön für Kinder, wenn man eine Erzählung nicht immer mit menschlichen Figuren abhandelt, sondern etwas anbietet, das es im realen Leben nicht gibt. Neben der Natur lasse ich mich auch gerne von anderen Künstlern inspirieren. Mich interessiert so ziemlich alles, was mit Farben und Formen zu tun hat. Besondere Kompositionen, die man in Bildern studieren kann. Ich hantiere zum Beispiel privat sehr viel mit stofflichem Material, ich brauche nicht nur etwas für den Geist, sondern mag es, Dinge in die Hand nehmen zu können. So gestalte ich viele Blumendekorationen für zu Hause oder arbeite auch mit Nadel und Faden. Handarbeit ist mir generell wichtig. Zurzeit nähe ich an einer Patchworkdecke. Dass sich das Engagement für einen Garten lohnt, beobachte ich von Jahr zu Jahr. Dieses Jahr habe ich zum ersten Mal einen Neuntöter entdeckt. Er ist sogar geblieben, den ganzen Sommer habe ich ihn im Garten beobachtet. Früher gab es keine Stieglitze. Weil wir die Grassamen sehr lange stehen lassen und Sonnenblumen anpflanzen, sind die Stieglitze zurück. Diese Woche hatte ich zum Beispiel einen Buntspecht entdeckt, der an einer verdorrten Königskerze sein Futter suchte. Früher habe ich die Königskerzen immer aus meinem Garten entfernt. Jetzt dürfen sie stehen bleiben, eben genau aus dem Grund: Sie sind Nahrungsquelle für Raupen und Vögel. Es gibt wirklich Erstaunliches zu entdecken. Einige meiner Beobachtungen fließen in meine Texte ein. Mit meinen Geschichten kann ich all das bei Kindern im besten Sinne verankern.

  • Heutzutage passiert vieles digital. Haben Sie einen Tipp, wie man Kindern das Lesen schmackhaft machen kann?

    Generell fällt mir auf, dass Erwachsene ihren Kindern häufig die „gleiche Kost“ an Lesestoff anbieten. Ich erkläre mir das mit Sehgewohnheiten, die ihnen als Kind über die Medien antrainiert wurden. Vielleicht ist es vielen nicht so bewusst, dass ihr eigenes Verhalten im Umgang mit digitalen Geräten auf ihre Kinder abfärbt. Was ich gerne sehen würde, ist, dass Kinder sehr früh und häufig mit künstlerisch wertvollen Bilderbuchgeschichten in Berührung kommen. Das weckt Interesse an der Vielfalt. Die Kinder neugierig machen, sie nicht auf Einfalt, sondern auf Vielfalt trainieren – ein Buch ist immer auch Kunst. Mit meinen Büchern möchte ich nicht nur schönen Lesestoff anbieten, sondern auch das „Schöngemachte“, also eine Form von Kunst, vermitteln.

  • Welche Bücher haben Sie selbst als Kind gerne gelesen?

    Am liebsten Geschichten, die einen tieferen Sinn hatten, ich denke da gerade an die Geschichte „Des Kaisers neue Kleider“ – das war übrigens Pflichtlektüre von der Schule aus. Einfach genial.

  • Können Erwachsene auch etwas aus Kinderbüchern lernen?

    Ich hoffe ja! Falls man nichts daraus lernt, dann geben sie ein vertrautes Gefühl. Einmal hat mir ein älterer Herr, der meine erste Geschichte gelesen hatte, erzählt, dass er eine ganz bestimmte Passage so schön findet, wo die Tiere sich in den tiefen dunklen Wald hineinwagen. Er verband es mit seinen eigenen schönen Kindheitserinnerungen. Dies empfinde ich als eines der tollsten Komplimente, die man als Autorin bekommen kann – die Gefühle der Leserschaft anzurühren.

  • Wie viele Kinderbücher haben Sie insgesamt bereits verfasst? Ist ein neues Projekt in Planung, zu dem Sie vielleicht schon etwas verraten können?

    Veröffentlicht habe ich einen Titel, verfasst habe ich noch weitere zwei Geschichten über die Amsel Tigsto und die Helden des Gartens, die allerdings noch gedruckt werden müssen. Insgesamt eine 4-teilige Buchreihe soll es werden, die spannende Abenteuer der Tiere rund um Garten und Wald erzählt. Jetzt fehlt mir noch eine Wintergeschichte, und die Idee dazu ist mir neulich beim Rasenmähen im Garten eingefallen … jetzt im Sommer, bei dieser Hitze!

  • Verfassen Sie neben Kinderbüchern auch andere Bücher?

    Im Moment nein. Allerdings spiele ich seit Längerem mit dem Gedanken, mich an andere Themenbereiche zu wagen. Mein Interesse ist groß für Naturheilverfahren, da ich an die Heilkraft der Pflanzen glaube. Ich weiß, wovon ich spreche, da mir das in einer gesundheitlich sehr schwierigen Zeit enorm geholfen hat. Im Übrigen handelt auch die zweite Tigsto-Geschichte von der „Magie der Pflanzen“. Mir ist wichtig, dabei zu erwähnen, dass sich das als Kernthema auch in der Kinderpädagogik wiederfindet. Kindergärten setzen genau da an, um das Bewusstsein für die Natur zu schärfen.

  • Was schätzen Sie an Ihrer Arbeit als Autorin am meisten?

    Dass ich wirklich eintauchen kann in eine Welt, die um mich herum nicht existiert. Dabei kann ich wunderbar entschleunigen. Ich gebe mir ja den Rhythmus selbst vor. Ich setze mir keine Fristen und lasse einfach die Dinge laufen. Anfangs lief es nicht so entspannt, weil ich mir hohe Erwartungen setzte, ich bildete mir ein, ich müsste ganz eifrig „abliefern“. Mittlerweile weiß ich für mich, dass gute Ideen Zeit brauchen und dass dieses „Werden“ nicht über Nacht passiert. Immer wieder erlebe ich beim Schreiben, dass man tolle Einfälle nicht erzwingen kann. Einfach zwischendrin loslassen, immer und immer wieder darauf vertrauen, dass man Etappe um Etappe durchhält und sich am Ende alles zu einem Ganzen fügt.

  • Wo schreiben Sie am liebsten?

    Am liebsten suche ich mir ein ruhiges Plätzchen, meistens in meinem Arbeitszimmer, sitzend oder auch liegend, schließe die Augen und versuche, eine konkrete Szene zu visualisieren. Musik oder andere Geräusche würden mich eher stören, also muss es sehr ruhig sein. Dabei lasse ich mir viel Zeit, bis die ersten Bilder im Kopf entstehen, kann es schon mal ein bis zwei Stunden dauern. Die ersten Zeilen tippe ich in den Computer ein, weil ich den Text so schnell wie möglich vor mir brauche. Der Text ist dann natürlich noch nicht rund. Dafür lasse ich mir wiederum in einem erneuten Durchgang viel Zeit.